Wenn man schnell laufen will …

… dann muß man manchmal schnell laufen. Das ist eine sehr vereinfachte Zusammenfassung der Trainingslehre, nach der man nicht immer nur in seinem Wohlfühlbereich laufen soll. Man sollte auch Einheiten wie Fahrtspiel oder Tempodauerläufe in sein Training einbauen. Nur welcher Läufer liebt diese Einheiten?

Seit ich mich dem Ticken der biologischen Uhr ergeben habe und akzeptierte, daß neue Bestzeiten kaum mehr möglich sind, habe ich genau diese Einheiten vernachlässigt. Nur noch dienstags beim Bahntraining laufe ich schnelle Sachen, sonst trabe ich gemütlich vor mich hin.

Mit diesen Voraussetzungen machte ich mich vor einer Stunde auf den Weg nach Mertesdorf zum diesjährigen Ruwer-Riesling-Lauf. Mein erster 10er seit 11 Monaten. Den letzten lief ich in Oberweis. Von den Vereinskameraden angesprochen, was ich denn heute so laufen will, waren meine Antworten entsprechend verhalten. Es wäre schon richtig toll, wenn ich mein letztjähriges Ergebnis von 48:30 Minuten erreichen könnte. Nur eines will ich unbedingt vermeiden: mehr als 50 Minuten zu brauchen.

So stehe ich jetzt in der Startaufstellung relativ weit hinten eingereiht. Die schnellen Kameraden stehen alle viel weiter vorne, nur Claudia kann ich noch einige Reihen vor mir erkennen. Willi steht noch hinter mir, da gehört er nicht hin, wird mich bald überholen. Der Sprecher erzählt uns noch etwas über die Strecke, wie einfach sie zu laufen wäre. Einfach 5 Kilometer bergauf, Wende und dann 5 Kilometer wieder bergab. Sehr beruhigend, wenn man die Strecke nicht kennt. Ich kenne sie, weiß was mich erwartet.

Startschuß. Vorne rennen die schnellen Hasen davon, wir hier hinten schieben uns langsam zur Startmatte. Dort drücke ich Garminchen. Freies Laufen ist erst einmal nicht möglich, zu schmal ist der Radweg. Von hinten versuchen schnellere Läufer, außen im Gras den Pulk zu überholen. Nach 200 Metern werde ich so von Willi überholt. Auch ich schiebe mich immer wieder an langsameren Läufern vorbei. Nach 4:40 Minuten passiere ich die Markierung für Kilometer 1. Eigentlich zu schnell für mich. Ich füge mich in mein Schicksal, daß ich das büßen werde. Aber ich kann jetzt wenigstens einigermaßen frei laufen.

Bei Kasel heizt uns eine Trommlergruppe ein, etliche Zuschauer spenden uns Beifall. Das motiviert. Bei Kilometer 2 noch einmal ein kleines Stimmungsnest beim Verpflegungsstand. Hier brauche ich noch nichts. Für mich beginnt es jetzt schwer zu werden. Vor mir ist eine große Lücke, von hinten kommt niemand nach. Die Pace-Anzeige von Garminchen steht über 5 min./km. Erst als mich etliche Läufer überholen, finde in den Lauf zurück. Der Jagdinstinkt erwacht, kurz vor Kilometer vier kann ich eine Läuferin zurück überholen.

Jetzt beginnt das Schauspiel. Die Spitze des Feldes kommt uns entgegen. Beeindruckend, die sind schon bei Kilometer 6! Zwei Läufer mit weitem Abstand, dahinter an Position 3 Thomas, der sich mit einem anderen Läufer offensichtlich duelliert. Die beiden werden den dritten Platz unter sich ausmachen, bei dem großen Abstand zu den folgenden Läufern. Dann werden die uns entgegenkommenden Läufer immer zahlreicher. Wir nähern uns dem Wendepunkt. Wende für mich nach 25:15 Minuten.

Mir ist klar, es wird eng für mich. Vor allem, da ich das Geschenk des Gefälles nicht sofort nutzen kann. Erst einmal muß ich wieder Luft bekommen. Dann am Verpflegungsstand ein Schluck Wasser, der Rest des Bechers zur Kühlung auf die Kappe. Jetzt geht es mir wieder besser, ich kann beschleunigen. Und ich beginne, wieder Läufer zu überholen. Motivierend, auch zu sehen, wie viele Läufer noch hinter mir sind. Zurück in Kasel bedanke ich mich bei den Trommlern, die immer noch für Stimmung sorgen. Ihre Ausdauer ist beeindruckend.

Ein Läufer, den ich kurz vorher überholte, überholt mich wieder. Das kann ich nicht zulassen! Ich hänge mich an ihn ran, komme aber nicht an ihm vorbei. Dafür überholen wir gemeinsam andere Läufer. Eine Läuferin in blauem Shirt taucht vor uns auf. Bald erkenne ich Claudia. 250 Meter vor dem Ziel bin ich auf ihrer Höhe. Nein, überholen will ich sie jetzt nicht, aber den anderen Läufer kann ich auch nicht vor mir ins Ziel lassen. Ich feuere Claudia an, gemeinsam stürmen wir ins Ziel. Ein toller Zieleinlauf, wir klatschen uns ab.

Wasser, ich brauche dringend Wasser! Ein Becher, dann der Service der Brauerei, alkoholfreies Radler. Anstoßen mit den Kameraden. Es herrscht allgemeine Zufriedenheit. Auch ich bin mit dem Ergebnis dieses ersten Wettkampfes des Jahres zufrieden. Ich weiß jetzt, wo ich stehe. Mit 49:21 Minuten landete ich auf Platz 15 von 29 in der M55. Vielleicht sollte ich mal wieder ab und zu schnell laufen.

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6 Gedanken zu „Wenn man schnell laufen will …“

  1. Hey Ralph,
    sehr schöner Bericht! Für mich auch mal gut zu wissen, was im großen Getümmel so los ist am Start und mit welchen Problemen andere dort immer zu kämpfen haben, das ist bei so schmalen Radwegen wirklich etwas ungünstig. Aber trotzdem Glüsckwunsch zu der Zeit! Wie du ja gewollt hast unter 50 min! Bleib dran, dann wird das mit den anderen Zeiten auch mit Sicherheit nochmal klappen 🙂

  2. Vielen Dank Dominik, fürs Freischalten. Und auch für Deinen netten Kommentar. Glückwunsch zu Deiner hervorragenden Zeit! Als wir uns begegneten fehlte mir leider die Luft zum Anfeuern.

  3. DANKE Dir Raph für den support auf den letzten Meter.

    Das ist das schöne wenn man im Verein läuft man ist nie allein! Danke für den Bericht. 🙂

    1. Gerne 🙂 . Danke auch an Dich, ohne Dich wäre ich wohl nicht mehr an dem anderen Läufer vorbei gekommen.

  4. Kann mich Claudia nur anschließen. Es macht Spaß, in einem Verein zu laufen, in dem alle auf einem unterschiedlichen Niveau sind. Sonst wäre es ja langweilig. Und nochmal Glückwunsch. Du hast Dein Ziel erreicht: klar unter 50 Minuten – trotz der wenigen schnellen Trainingsläufe. Aber vielleicht werden es ja jetzt wieder mehr …

    1. Dankeschön Matthias. Ja, in der Gruppe des Vereins machen solche Läufe viel mehr Spaß. Mal sehen, ob ich mich nach dieser Erfahrung zu einigen schnelleren Trainingseinheiten aufraffen kann 😉

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