Seit 2007 führt der wunderschöne Saar-Hunsrück-Steig als der am besten bewertete Wanderweg Deutschlands über angewachsene 410 Kilometern von Perl nach Boppard, und ist mein absoluter Lieblingsweg zum Geniessen wie Quälen gleichermaßen!
Die sogenannte Ruwer-Variante startet vor unserer Haustür in Trier am Trimmelter Hof und führt bis zum Keller Steg, dem Hauptkreuzungspunkt des Steigs. Der mittlerweile in 5. Auflage ausgerichtete, 2-tägige Ultra-Etappenlauf SH-Supertrail (ca. 128km und 3500 Hm) führt fast komplett über den ursprünglichen Steig (d.h. vor den Erweiterungen) zwischen Trier und Idar-Oberstein (= ohne die Strecke nach Perl). Es war so klar, daß ich den irgendwann mal machen werde. Bei der dritten Auflage des von Bernhard Sesterheim & Team organisierten Laufs stand ich bereits am Start und schaffte es den ersten Tag mit recht ordentlichen 7:49h Laufzeit tatsächlich zu überleben. Leider konnte ich damals am zweiten Tag aufgrund diverser „Problemchen“ nicht antreten und habe mir damals geschworen: Das ziehst Du nochmal komplett durch. Die Frage war nicht ob, sondern wann.
2015 passte es nun endlich, wenn auch leider nur vier Tage nach dem Marathon in Mainz. Da ich „nur“ als Pacemaker lief (kommt Zeit kommt Bericht) betrachtete ich es quasi als Generalprobe. Um 5h morgens am 15.5.2015 (sic!) war die Nacht für mich zuende, um pünktlich um 7:30 in Braunshausen bei Nonnweiler am Bus zu sein. Hier war gleichzeitig unser späteres Ziel, denn es handelt sich um einen Strecken- und keinen Rundlauf. Wie schön! Gestartet wurde in zwei Wellen, aufgrund meiner „Vorleistung“ (*hüstel* ich hätte mich jetzt eigentlich nicht für einen Vorleister gehalten) durfte ich in der Welle mit den schnelleren Läufern und damit ca. 1,5h nach der ersten Läuferwelle starten, was die Anreise morgens am selben Lauftag vereinfachte. Nicht, daß bei „Welle“ falsche Vorstellungen aufkommen: Etwa 2 Dutzend „Ultras“ waren da (und ich), der Bus jedoch nicht, also Zeit genug sich mit ein paar anderen Läufern zu unterhalten. Es stellte sich heraus, dass einige aus meiner alten Heimat (der Pfalz) am Start waren. Sind eben doch harte Burschen, die Pälzer (Grüße an dieser Stelle!). Oder wie wir in Neustadt sagen: „Die Haardt“ … Diverse Finisher legendärer Ultraläufe wie Spartathlon, MDS, UTMB, usw. zeigen beeindruckend, dass hier niemand unvorbereitet am Start steht. Entsprechend familiär-entspannt (fast mystisch) war die Atmosphäre, ganz anders als bei typischen Volksläufen, aber eben wieder sehr typisch für Ultraläufe. Ich mag diese Atmosphäre sehr, niemand streßt sich, jeder hat Respekt und ist offen und hilfsbereit allen anderen gegenüber. Bei Volksläufen hab ich schon Ellbogen abgekriegt, hier höchstens Iso oder Futter. Sicherlich ist das auch dem überschaubaren, da auf 80 Läufer begrenzten Teilnehmerfeld geschuldet. Ich empfehle daher eine zeitige Anmeldung für nächstes Jahr, denn es ist stark damit zu rechnen, daß es sich mehr und mehr herumspricht, wie wunderschön diese Strecke ist.
Auf der langen Busfahrt zum Start bei der Wildenburg hat man nochmal ausgiebig Zeit über das Unterfangen nachzudenken. Der Bus braucht schon ne Stunde, au Backe … Am Start befindet sich auch die Naturpark-Infostelle, für Bernhard die Gelegenheit die Beschilderung des Steigs anhand von Beispielwegweisern anschaulich zu erläutern. Grün(/blau) gut, rot (violett) schlecht, ware das Leben doch immer so einfach! Leider, so zeigt die Erfahrung, verläßt dieses neuerworbene Wissen mit dem ersten Schweiß den Körper, es wird sich also garantiert irgend jemand dennoch verlaufen. Kurz nach halb neun ging es dann bei mehr oder weniger strömend-kaltem Regen los auf die Prologrunde. Nach ca. 2-3km „in der falschen Richtung“ stößt man auf den eigentlichen Steig, dem man ab dort dann bis zum Stausee in Nonnweiler über etwa 60km lang folgt. Bereits hier auf den ersten Kilometern zeigt sich der ganze Charakter des Laufs. Es geht direkt über Stock und Stein über den 646m hohen Mörschieder Burr, und die Feuchtigkeit (es regnet, grrrr!) machte es nochmals eine Ecke gefährlicher als es auf manchen doch recht trailigen Passagen eh schon ist. Kurz nach dem Wildenburger Kopf läuft man nochmals an der Wildenburg vorbei und erreicht die erste Verpflegungsstelle mit Getränken. Die Führenden hatten sich hier bereits verlaufen und zogen von hinten an uns vorbei. Man muß wirklich gut aufpassen, um keinen Abzweig zu verpassen. Es gab schon Läufer, die sich 2h und mehr verlaufen hatten!
Nach dem Abstieg vorbei am Wildgehege und hinunter ins Idarbachtal ging es steigtypisch hinauf zum Silberich (623m) und der Kirschweiler Festung: Die erste, richtige Bergwertung und ein Vorgeschmack auf das noch Folgende. Hier war ich bereits gut eine Stunde unterwegs, und müßte unter den ersten Zehn im Feld liegen, wer hätte das gedacht. Und einmal mehr durfte ich auch an dem sich hier nach wie vor befindlichen, sehr alten Geocache vorbeilaufen, weil wieder mal keine Zeit zum Suchen war. Aber letztlich geht es doch vor allem auch ums Geniessen und Überleben, also weg mit diesen Gedanken rund um die Zeit und lieber auf die Strecke und die Umgebung konzentrieren. Da auch ich mich 2013 trotz recht guter Steigkenntnis mehrfach verlaufen hatte, habe ich mir am Vortag noch einen kleinen Streckenplan mit vielen Abzweigen und Durchgangszeiten/Kilometern aufgeschrieben und einlaminiert. Das war wirklich eine große Hilfe, nach kurzem Blick auf den Zettel konnte ich mich gut an die Strecke erinnern und wusste meist schon vorher, wo es abging. Allerdings war das nur auf Anstiegen möglich, bei schnellerem Flach- oder Bergablaufen aufgrund des Gewackels und der Sturzgefahr ging das nicht.
Nach einem erneuten Abstieg ins Idarbachtal ging es durch den Geopark Krahloch zum nächsten Verpflegungspunkt bei (festhalten, nicht lachen!) Langweiler (übrigens ganz in der Nähe der Steinbachtalsperre). Plötzlich hatte ich statt leichten Vorsprung rund 2 Minuten Rückstand auf meine frühere Durchgangszeit. Wie ich später herausfand lag das an einer Streckenerweiterung direkt nach dem Geopark. Als nächstes stand der lange Anstieg bis über die Sensweiler Höhe (>700m) Richtung Morbach an. Im Morbacher Wald ging es dann durch den wunderschönen Ortelsbruch. Aufgrund des starken Regens waren die Holzbohlen glatt wie Schmierseife und ich konnte mehrfach nur sehr knapp einen Sturz verhindern. Bis Hoxel mußte man nun auch zunehmend aufpassen nicht einen der verschiedenen Zu- und Rundwege zu erwischen. Die Beschilderung kennt noch weitere Varianten (z.B. gelb für Zuwege). Die Wegmarkierungen des Steigs selbst sind immer grün/blau, und die Entfernungswegweiser an der Spitze immer in reinem Blau gehalten, und leicht erkennbar an ernüchternden Entfernungsangaben wie „Erbeskopf 25km“ …
Bei Hoxel gab es dann die nächste Verpflegung nach gut 3h Laufzeit. Nach normalen, „langen“ Läufen im Training hat man spätestens jetzt bereits genug, doch für einen Ultra war das bis hierher nur lockeres Warmlaufen. D.h. man sollte sich hier immer noch recht frisch fühlen. Tat ich zwar nicht, aber glücklicherweise hatte zumindest der kalte Regen mittlerweile aufgehört und ab und zu blinzelte auch mal die Sonne durch die Wolken. Man passiert nun die beeindruckenden Hoxeler und Deuselbacher Viadukte der Hunsrückquerbahn. Bereits hier beginnt der lange, beschwerliche Aufstieg zum Erbeskopf (816m), der höchsten linksrheinischen Erhebung Deutschlands und gleichzeitig höchster Punkt vom schönsten aller Bundesländer: Rheinland-Pfalz. Hinten ist die Ente fett, also gaaanz langsam angehen! Auf den steileren Abschnitten muss man diszipliniert den Puls niedrig halten, um nicht zu ineffizient zu laufen und zuviel Energie auf einmal zu verbrennen. Zumindest die mittleren Anstiege könnte ich wohl schon noch laufen, dann wäre aber der Puls zu hoch und spätestens irgendwann auf dem letzten Drittel präsentiert der Körper die Rechnung in Form eines Ultra-Einbruchs. Wie ich danach hörte, sind wohl Einzelne selbst den steilen Endanstieg an der Skipiste zum Erbeskopf noch hinaufgelaufen. Ja Servus, die Wadeln!
2013 befand sich hier die Verpflegung direkt an der Zufahrtstraße vorm Hunsrückhaus, aber jetzt war sie nicht da. Später erfuhr ich, dass sie wohl seitlich leicht verdeckt stand. WTF! Leider konnte ich sie nicht erspähen, auch weil hier ein Haufen Leute waren, aber keine Läufer weit und breit. Ein paar Ecken weiter („vielleicht kommt sie ja noch?“) wurde mir dann klar, dass ich sie wohl verpasst hatte. Ich lief nur mit einer 0,5er Trinkflasche in der Hand, das wurde jetzt unerwartet zum Problem. Oben auf dem Erbeskopf konnte ich dann glücklicherweise ein mobiles Wasserloch anzapfen! Das hat mir die Etappe gerettet, denn ohne Wasser wäre das bis zur nächsten Verpflegung ein Problem geworden bei den nun immer weiter steigenden Temperaturen. Den Abstieg vom Erbeskopf habe ich als sehr kniebelastend in Erinnerung, da er überwiegend über breite Waldwege führte. Nun gab es deutlich mehr Trailanteil im Abstieg aufgrund einer weiteren Wegänderung, die mir trotz der zusätzlichen Meter wirklich viel besser gefallen hat. Und meinen Knien erst …
An der Siegfriedquelle konnte ich endgültig die Unverwundbarkeitslegende widerlegen: Die ausgiebig mit Wasser benetzten Beine taten dennoch weh … ! Ich glaube irgendwo kurz danach war der Steig dann unerwartet mit einem Flatterband abgesperrt. Mein Glück: Eine Gruppe der ersten Welle kam mir über eine Waldstraße entgegen mit dem Hinweis, dass es in der Richtung auch nicht weiterginge. Da eine Umleitung nicht auszumachen war sind wir also über die Baumstämme geklettert. Es ging bald wieder normal weiter unterhalb des Ruppelstein (755m) und runter Richtung Börfink. Am Hengstbach habe ich nochmal meine mittlerweile schon wieder geleerte Wasserflasche aus dem Bach gefüllt und nochmal kurz die Beine gekühlt. Was für eine Wohltat, nach über 5 Stunden Laufzeit bis hierher! Vom Trauntal heraus geht es ab hier nun bis zur nächsten Verpflegung einen relativ langweiligen, langen Anstieg auf einem breiten Waldweg rauf. 2013 hatte ich hier meinen mentalen und physischen Ultra-Durchhänger.
Dieses Mal ganz anders, an der Verpflegung wurde ich einmal mehr mit viel Applaus, Lob und Anfeuerung begrüßt (danke ans Helferteam, ein Riesenjob von Euch!) und ich konnte mich bald wieder auf das letzte, langwierige Stück begeben. Hier geht es nun ewig geradeaus auf dem Rücken des Dollbergs, den mit 695m höchsten Berg des Saarlandes, ein gutes Stück oberhalb der Primstalsperre. Jetzt kommt einiges zusammen. Nach über 6h Laufzeit braucht man einen holprigen, vermatschten Weg nicht mehr wirklich, und die tollen Aussichten sind schwer zu genießen, denn jede Pause macht das neuerliche Anlaufen nun nochmal deutlich härter. An einigen Stellen sind pflasterartige Steine im Weg, und das Laufen wird unrhythmisch. Aber wäre es sonst ein Trail?! Also Augen auf und durch … Nach dem Abstieg kommt bald ein schönes Gimmick in Form des einst von den Treverern errichteten, locker 10m hohen Stein-Ringwalls, der zu überqueren ist. Die diesen überschreitende Steintreppe ist im Aufstieg wackelig und im Abstieg aufgrund der knappen, steilen Tritte echt gefährlich. Im nun folgenden, immer noch steilen Abstieg freue ich mich noch ein paar Bekannte aus der ersten Welle zu treffen und muß aufpassen, daß es mich vor lauter Quatschen nicht hinwirft.
Auf dem Parkplatz oberhalb des Klappbruchweihers steht die letzte Verpflegung, ca. 7-8km vorm Ziel. Nach einer Umleitung erreicht man bald den Kiosk am Staudamm und hier muß man sich links halten. Auch 2013 wußte ich das, da es jedoch zwei „links“ gibt, einmal ganz links die Straße runter (richtig) oder halblinks den Steig die Treppe runter weiter (falsch!), verlief ich mich trotz der hier von Bernhard angebrachten Markierungen. Manche sollen bei Vorjahresrennen sogar noch Stunden weiter auf dem Steig gelaufen sein. Das passiert mir heute nicht und ich erreiche nach leider ziemlich langweiligen Restkilometern entlang verschiedener Straßen das Ziel am Peterberg in unerwartet zügigen 7:36h und damit 13 Minuten schneller als beim letzten Mal (wo ich mich allerdings auch mehr verlaufen hatte). Später erfahre ich, daß ich damit wie schon beim ersten Mal auf dem 7. Platz gelandet bin, nicht schlecht für den Anfang …
Direkt nach Ankunft machte ich mich ausgiebig über die Zielverpflegung und dann über meine strapazierten Muskeln her. Morgen steht nochmal eine solche Etappe auf dem Programm, also ist eine schnelle und umfassende Regeneration nun Pflicht!
Hinweis: Da ich keine Bilder beim Lauf selbst gemacht habe, verwende ich Bilder aus meinem Archiv von verschiedenen Stellen direkt am Saar-Hunsrück-Steig. Das Bild mit Läufern ist vom Start des 3-Länder-Trails, einem ähnlichen Lauf, der 2013 stattfand und auch über den SHS führte.
2 Gedanken zu „Ultra-Trail auf dem Saar-Hunsrück-Steig (1/2)“
Nicht zu glauben, dass Du das wirklich durchgezogen hast. Ultra-beeindruckend und sehr schön in Form gebracht. Am besten gefallen hat mir natürlich Dein Hinweis auf die harten Burschen aus der Pfalz. Dem kann ich nur beipflichten.
Doch jetzt bin ich erst einmal gespannt auf den zweiten Akt dieses Ultra-Schauspiels. Lass uns nicht so lange warten …
Nicht zu glauben, dass Du das wirklich durchgezogen hast. Ultra-beeindruckend und sehr schön in Form gebracht. Am besten gefallen hat mir natürlich Dein Hinweis auf die harten Burschen aus der Pfalz. Dem kann ich nur beipflichten.
Doch jetzt bin ich erst einmal gespannt auf den zweiten Akt dieses Ultra-Schauspiels. Lass uns nicht so lange warten …