Aquajogging – Wenn die Beine baden gehen

Wasser ist zum Waschen da. Im Zweifelsfall auch zum Trinken. Für sonst nix. Das gilt zumindest für jene Menschen, die man gemeinhin als „wasserscheu“ bezeichnet. Ich bekenne: zu dieser Gattung Mensch gehöre ich.

Ich schaffe es problemlos, zwei Wochen Urlaub am schönsten Badestrand zu verbringen, ohne meinen Bauchnabel auch nur ansatzweise mit dem kühlen Nass zu benetzen. Das zumindest galt bis Frühsommer 2015. Jetzt nicht mehr. Jetzt bin ich zum Wasserfrosch mutiert. Mittlerweile verbringe ich fast so viel Zeit im Wasser wie bisher mit Laufen. Nicht etwa, weil mir das Laufen keinen Spaß mehr macht, sondern im Gegenteil: Weil ich unbedingt weiter laufen möchte, mein Körper verletzungsbedingt jedoch eine Auszeit braucht.

Also hüpfe ich ins Wasser und tue das, was ich am liebsten mache: laufen. Das Ganze nennt sich Aquajogging. Der Begriff trügt etwas. Es geht nämlich nicht um gemütliches Joggen sondern um richtiges, teilweise kräftezehrendes Laufen. Nur halt im Wasser.

Hier ein kurzes Video zur Veranschaulichung, aufgenommen mit der Unterwasserkamera durch Jens Nagel von getFit:

CIMG6783

Übrigens: Mittlerweile fand die Aquajogging Schnupperstunde statt, die  Andreas Werner kurz vor Weihnachten für interessierte Lauftreffkollegen angeboten hat. Die 15 Teilnehmer hatten viel Spaß dabei, wie man auf den entsprechenden Bildern sehen kann. 🙂

Wasser als Trainingsmedium
Da die Dichte des Wassers fast das Tausendfache der Dichte der Luft beträgt ist der Wasserwiderstand um ein Vielfaches stärker als der Luftwiderstand. Man kann in etwa davon ausgehen, dass die Geschwindigkeit im Wasser etwa ein Zehntel jener an Land beträgt. Das heißt: Wenn Du an Land einen Kilometer in sechs Minuten läufst, dann schaffst Du im Wasser in der gleichen Zeit etwa 100 Meter. Das entspricht vier Bahnen im Konzer Saar-Mosel-Bad.

Saar-Mosel-Bad

Grundsätzlich gilt: Je schneller Du Dich im Wasser bewegst, desto stärker der Wasserwiderstand. Du entscheidest dadurch also selbst, wieviel Kraft Du einsetzen möchtest.

Ausrüstung

Für das Aquajogging benötigst Du neben einer Badehose bzw. einem Badeanzug lediglich einen Schwimmgurt.

IMG_1283
Und so sieht das Ding aus

Dieser verleiht dem Körper den notwendigen Auftrieb, denn Aquajogging betreibst Du in tiefem Wasser. Du hast also keinen Bodenkontakt. Grundsätzlich geht es zwar auch ohne diesen Gurt, aber das ist super anstrengend und erfordert sehr viel Kraft und Körperbeherrschung, um das Gleichgewicht zu halten. Nach wenigen Metern wirst du vermutlich freiwillig einen Schwimmgurt anlegen.

Aquajogging1
Schwimmgurt um die Hüften und los geht’s

Lauftechniken

Nun kann es auch schon losgehen: Du läufst im Grunde genauso, wie Du es an Land tust, nur halt sozusagen in Zeitlupe. Die Arme bewegst Du – wie beim Laufen auch – etwa um 90 Grad angewinkelt, parallel zum Körper nach vorne und hinten. Die Hände bleiben locker, die Finger sind leicht gekrümmt, bilden fast eine Faust.

Lauftraining
Die Arme unterstützen die Laufbewegung der Beine

Es gibt verschiedene Lauftechniken. Je nach Zweck und Art der Übung kannst Du damit variieren.

Für längere und regenerative Einheiten empfiehlt sich eine Technik, die dem Kniehebelauf ähnelt. Den kennst Du vielleicht vom Lauf-ABC, das Du möglicherweise regelmäßig absolvierst. Du bewegst dabei die Beine mehr nach oben, als nach vorne. Ein bisschen wie beim Radfahren. Bei diesem Laufstil kommst Du nur langsam voran, auch wenn Du hier die Frequenz durchaus mal etwas erhöhen kannst. Aber um Geschwindigkeit geht es ja beim Aquajogging nicht.

Für kürzere, intensive Einheiten kannst Du den Laufstil leicht verändern, indem Du gegen den Wasserwiderstand einen weit ausholenden, raumgreifenden Schritt machst. Der Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt. Dieser Laufstil kostet ziemlich viel Kraft, Du bist damit aber auch sehr „schnell“. Wobei sich Schnelligkeit im Wasser natürlich etwas anders definiert als an Land.   Bei schnellen Einheiten kannst Du die Hände etwas mehr öffnen, um eine schöpfende Wirkung zu entfalten, die Dir zusätzlich etwas Vortrieb gibt.

Ein dritter Stil besteht in einer Pendelbewegung der Beine, die nahezu vollständig gestreckt bleiben und sich bei sehr aufrechter Körperhaltung  ganz langsam nach vorne und hinten bewegen. Bei dieser Bewegung benötigst Du die Arme und Hände, um das Gleichgewicht zu halten.

Das folgende Video, zeigt diese drei Laufstile besonders gut.

Mit freundlicher Genehmigung durch Ronny Martick (lauftraining.com)

Anwendung

Aquajogging ist eine ideale Trainingsform bei Verletzungen, die ein Laufen an Land nicht möglich machen. Du kannst im Grunde Dein komplettes Trainingsprogramm im Wasser absolvieren, ganz gleich ob Du regenerative Einheiten oder Tempoläufe auf dem Trainingsplan stehen hast, ob Du Intervalle planst oder lange Läufe machen möchtest. Bei deutlich geringerer Belastung für Bänder, Muskeln und Gelenke ist der Trainingseffekt trotzdem absolut vergleichbar mit dem „normalen“ Laufen. Auch der Kreislauf wird durch das kühle Wasser geschont. Viele sehr erfolgreiche Läufer schwören bei kleineren Verletzungen auf das Training im Wasser. Einige waren nach dem Training im Wasser sogar schneller als zuvor.

Aber auch als Alternativ- und Ergänzungstraining ist Aquajogging eine hervorragende Trainingsmethode, wie unter anderem Jan Fitschen bestätigt. Gerade während intensiver Trainingsphasen wie zum Beispiel bei der Marathonvorbereitung kannst Du diese Trainingsform in Dein Programm einbauen.

Aquajogging als Alternativ- oder Ergänzungstraining in der Marathonvorbereitung
Aquajogging als Alternativ- oder Ergänzungstraining in der Marathonvorbereitung

Vor- und Nachteile

Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt. Mir persönlich wird vor allem bei meinen langen Läufen von eineinhalb oder zwei Stunden im Wasser schon ziemlich langweilig. Es ist halt nicht zu vergleichen mit einem schönen Lauf in der freien Natur. Außerdem ist der Aufwand höher, vor allem dann, wenn das nächste Schwimmbad nicht gerade um die Ecke ist. Und schließlich ist ein Schwimmadbesuch auch mit zusätzlichen Kosten verbunden, es sei denn, Du hast ohnehin eine Jahreskarte.

Meiner Meinung nach überwiegen jedoch die Vorteile, vor allem eben bei Verletzungen. Du kannst Deine Aquajoggingeinheit auch mit Schwimmen kombinieren, wenn Du eh schon im Schwimmbad bist. Ich werde sicher die ein oder andere Trainingseinheit im Wasser beibehalten, auch wenn meine Verletzung wieder komplett ausgeheilt ist.

Aquajogging – voll im Trend

Du brauchst übrigens keine Angst zu haben, Dich damit zu blamieren oder aufzufallen. Aquajogging hat sich längst durchgesetzt, nicht nur bei Sportlern sondern auch bei Menschen, die dies einfach als eine Art Wassergymnastik betreiben, oft vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse finanziert.

Wenn Du jedoch unbedingt auffallen willst, dann empfehle ich Dir eine Alternative zum Schwimmgurt: sogenannte „Aqua-Twins“. Das sind Wasserschuhe, die Dir Auftrieb verleihen und die Du für bestimmte Übungen nutzen kannst.

Nichts für den Laufsteg, aber sehr effektiv
Nichts für den Laufsteg, aber sehr effektiv

Zugegeben, richtig sexy sehen die nicht aus. Aber gerade zur Stabilisierung der Rumpfmuskulatur  lassen sich mit den Aqua-Twins hervorragende Trainingseinheiten absolvieren.

Aber Vorsicht: Diese Dinger haben es in sich. Laufeinheiten sind damit deutlich anstrengender als mit Schwimmgurt. Ist nur was für Hartgesottene. Du brauchst für dieses Dinger Kraft und Stärke. Vor allem mental, zumindest wenn Du an Land damit unterwegs bist. 😉